Krankheitsbedingte Kündigung – was Arbeitnehmer und Arbeitgeber unbedingt wissen sollten

Als Fachanwältin für Arbeitsrecht erlebe ich regelmäßig, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber unsicher sind, wann eine krankheitsbedingte Kündigung überhaupt zulässig ist. Die rechtlichen Anforderungen sind hoch – und die Fehlannahmen zahlreich.

Im folgenden Beitrag erkläre ich Schritt für Schritt, worauf es wirklich ankommt, welche Rechte und Pflichten bestehen und wann sich der Gang zu einer Fachanwältin für Arbeitsrecht lohnt.

Inhalt

1. Kann man wegen Krankheit überhaupt gekündigt werden?

Eine Kündigung wegen Krankheit ist grundsätzlich möglich, aber nur unter sehr engen Voraussetzungen. Eine lange Krankheitsdauer oder viele Fehltage allein reichen nicht aus.
Entscheidend ist die sogenannte negative Gesundheitsprognose. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber begründet annehmen darf, dass der Arbeitnehmer auch künftig in erheblichem Umfang krankheitsbedingt ausfallen wird. Nur wenn dadurch betriebliche oder wirtschaftliche Belastungen entstehen, kann eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.

2. Wann liegt eine negative Gesundheitsprognose vor?

Eine negative Gesundheitsprognose liegt vor, wenn aufgrund ärztlicher Einschätzungen und des bisherigen Krankheitsverlaufs zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft häufig oder dauerhaft arbeitsunfähig sein wird.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08; 12.07.2007 – 2 AZR 716/06) verlangt hierfür konkrete Anhaltspunkte – bloße Vermutungen genügen nicht.

3. Welche weiteren Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Neben der negativen Gesundheitsprognose müssen zwei weitere Voraussetzungen vorliegen:

  1. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen – etwa Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen durch häufige Entgeltfortzahlungen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG).
  2. Interessenabwägung – die Beeinträchtigungen müssen für den Arbeitgeber so gravierend sein, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Dabei werden Dauer der Beschäftigung, Alter, Unterhaltspflichten und Genesungsaussichten berücksichtigt.
Krankheitsbedingte Kündigung: Rechte & Pflichten erklärt

Bei längerer Erkrankung kann es sinnvoll sein, auch den Anspruch auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu prüfen. Weitere Informationen finden Sie hier:

4. Ist eine Abmahnung erforderlich?

Nein. Eine Abmahnung soll eine Pflichtverletzung rügen und dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Verhaltensänderung geben. Da eine Krankheit kein steuerbares Verhalten ist, ist eine Abmahnung bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht erforderlich.

5. Darf während einer Krankschreibung gekündigt werden?

Ja, eine Kündigung während einer Krankschreibung ist grundsätzlich zulässig. Das Gesetz verbietet eine Kündigung während der Arbeitsunfähigkeit nicht. Entscheidend bleibt, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung erfüllt sind.

6. Wie wirkt sich eine Langzeiterkrankung im Vergleich zu häufigen Kurzerkrankungen aus?

Häufig wird angenommen, dass eine Langzeiterkrankung automatisch ein Kündigungsgrund ist. Tatsächlich können häufige Kurzerkrankungen für Arbeitgeber wirtschaftlich schwerer wiegen.
Das liegt daran, dass bei jeder neuen Erkrankung erneut die sechswöchige Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG beginnt. Bei einer durchgehenden Langzeiterkrankung endet diese Zahlungspflicht dagegen nach Ablauf von sechs Wochen.

7. Muss der Betriebsrat der Kündigung zustimmen?

Vor jeder Kündigung ist der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG anzuhören. Ohne Anhörung ist die Kündigung unwirksam.
Die Zustimmung des Betriebsrats allein macht eine Kündigung jedoch nicht rechtmäßig. Die materiellen Voraussetzungen – also insbesondere die Gesundheitsprognose und Interessenabwägung – müssen ebenfalls erfüllt sein.

8. Was sollten Arbeitnehmer bei Erhalt einer krankheitsbedingten Kündigung tun?

  • Die Kündigung nicht vorschnell akzeptieren oder unterschreiben
  • Innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen
  • Ärztliche Unterlagen und Gesprächsverläufe sichern
  • Frühzeitig anwaltlichen Rat einholen – idealerweise bei einer Fachanwältin für Arbeitsrecht

Nur durch rechtzeitiges Handeln können Ansprüche und Rechte gewahrt werden.

9. Was können Arbeitgeber tun, um rechtssicher zu handeln?

  • Lückenlose Dokumentation der Fehlzeiten und ärztlichen Prognosen
  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX)
  • Frühzeitig arbeitsrechtliche Beratung einholen, um Risiken zu vermeiden und Alternativen zur Kündigung zu prüfen

Ein durchdachtes Vorgehen schützt vor teuren Fehlern und langwierigen Prozessen.

Krankheitsbedingte Kündigung: Rechte & Pflichten erklärt

Fazit

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter engen Voraussetzungen wirksam. Entscheidend ist immer die negative Gesundheitsprognose, die betriebliche Beeinträchtigung und eine sorgfältige Interessenabwägung.

Für Arbeitnehmer gilt: rechtzeitig reagieren und juristische Hilfe in Anspruch nehmen.
Für Arbeitgeber: sorgfältig prüfen und dokumentieren, bevor Schritte eingeleitet werden.

Wenn Sie von einer krankheitsbedingten Kündigung betroffen sind oder als Arbeitgeber eine rechtssichere Lösung suchen, stehe ich Ihnen als Fachanwältin für Arbeitsrecht gerne beratend und vertretend zur Seite.