Müssen Wohnungseigentümer vor einer Beschlussfassung über Erhaltungsmaßnahmen mehrere Vergleichsangebote einholen?

Einleitung – Preisvergleich als Pflicht oder Kür?

Wenn in einer Wohnungseigentümergemeinschaft Reparaturen oder Sanierungen anstehen, stellt sich oft die Frage: Genügt ein Angebot der vertrauten Handwerksfirma – oder müssen mehrere Angebote eingeholt werden?

Viele Eigentümergemeinschaften setzen seit Jahren auf bewährte Betriebe und verzichten aus Zeitgründen oder Bequemlichkeit auf einen Preisvergleich. Doch ist das rechtlich zulässig?

Der Bundesgerichtshof wird am 5. Dezember 2025 klären, unter welchen Voraussetzungen Wohnungseigentümer verpflichtet sind, vor einer Beschlussfassung über Erhaltungsmaßnahmen mehrere Vergleichsangebote einzuholen – und wann Ausnahmen gelten.

1. Worum geht es im BGH-Verfahren V ZR 7/25?

Am 5. Dezember 2025 befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Frage, die für zahlreiche Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) von großer praktischer Relevanz ist:
Müssen Wohnungseigentümer vor einem Beschluss über Erhaltungsmaßnahmen zwingend mehrere Vergleichsangebote einholen – oder gibt es Ausnahmen, in denen darauf verzichtet werden darf?

Anlass ist ein Rechtsstreit über die Vergabe von Handwerkerleistungen – konkret ging es um den Austausch von Fenstern und Vordächern in einer größeren Wohnanlage. Die Eigentümergemeinschaft hatte sämtliche Arbeiten ohne Einholung weiterer Angebote an eine seit langem bekannte Glaserei sowie eine Malerfirma vergeben.

2. Welche Entscheidungen wurden bisher getroffen?

Amtsgericht: hielt die Beschlüsse für rechtmäßig und sah keine Beanstandung.

Landgericht: erklärte einen Beschluss (Fensteraustausch für 4.091,22 €) für unwirksam, da keine Vergleichsangebote vorlagen. Bei kleineren Aufträgen (unter etwa 1.500 €) erkannte das Gericht jedoch eine Bagatellgrenze an und akzeptierte den Verzicht auf weitere Angebote.

Das Landgericht betonte:

  • Eine lediglich „bewährte” Firma kann keinen objektiven Preisvergleich ersetzen.
  • Nur wenn Vergleichsangebote eingeholt wurden, ist die Entscheidung für den bekannten Anbieter gerechtfertigt.

3. Welche Bedeutung hat das Verfahren?

Die Entscheidung wird festlegen, welche Sorgfaltspflichten Wohnungseigentümer bei der Vorbereitung von Beschlüssen zu Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten treffen.
Betroffen sind insbesondere:

  • Eigentümergemeinschaften, die üblicherweise mit denselben Handwerksbetrieben zusammenarbeiten,
  • Verwalter, die Beschlussvorlagen erstellen,
  • und Beiräte, die Kostenangebote kontrollieren.

Der BGH wird voraussichtlich Richtlinien erarbeiten, ab welcher Höhe mehrere Angebote verpflichtend sind und unter welchen Umständen Ausnahmen gelten – etwa bei Notfällen oder sehr geringen Auftragssummen.

4. Was sollten Eigentümer und Verwalter bereits jetzt beachten?

Auch ohne abschließendes Urteil empfiehlt es sich, folgende Punkte zu berücksichtigen:

Vergleichsangebote einholen:
Grundsätzlich sollten mindestens zwei bis drei Angebote eingeholt werden, bevor die Eigentümerversammlung über eine Maßnahme entscheidet.

Dokumentation:
Angebote sowie Begründungen (z. B. Preis, Qualität, Verfügbarkeit) sollten in der Einladung oder im Versammlungsprotokoll festgehalten werden.

Bagatellgrenzen berücksichtigen:
Kleinere Aufträge (in der Regel unter 1.500 €–2.000 €) können auch ohne Vergleichsangebote beschlossen werden, sofern sie die Gemeinschaft wirtschaftlich nicht wesentlich belasten.

Langjährige Geschäftsbeziehungen:
Gute Erfahrungen mit einem Unternehmen ersetzen keinen Preisvergleich, können aber bei vergleichbaren Angeboten als Entscheidungskriterium dienen.

Rechtssichere Beschlussvorlagen:
Verwalter sollten bereits in der Einladung zur Eigentümerversammlung aufführen, welche Angebote vorliegen und warum gegebenenfalls auf weitere verzichtet wurde.

5. Was tun, wenn bereits ohne Vergleichsangebote beschlossen wurde?

Betroffene Eigentümer haben die Möglichkeit, einen solchen Beschluss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung beim zuständigen Amtsgericht anzufechten (§ 44 Abs. 1 WEG).
Entscheidend ist dabei, ob der Verzicht auf Vergleichsangebote gegen die ordnungsgemäße Verwaltung verstößt – eine Frage, die der BGH nun klären wird.

Vergleichsangebote bei WEG-Beschlüssen – BGH entscheidet

Fazit

Das bevorstehende Urteil des BGH (V ZR 7/25) wird voraussichtlich verbindliche Kriterien aufstellen, wann eine Eigentümergemeinschaft Vergleichsangebote einholen muss.
Bis dahin gilt:

Sorgfalt vor Eile! Wer vor der Beschlussfassung mehrere Angebote einholt, vermeidet nicht nur Konflikte, sondern stärkt auch die Rechtssicherheit der Gemeinschaft.